T.C. Boyle – Die Terranauten (Rezension)

Die Vorstellung, dass unsere Erde eines Tages nicht mehr bewohnbar sein wird, ist nicht mehr weit hergeholt. Klimawandel, Ozonloch, Mars-Expeditionen von Sonden und irgendwann Astronauten? – Bereiten wir uns schon darauf vor, eines Tages im All zu (über-)leben?

2018, vor allem zum Jahresrückblick, hat man oft vom Astronauten Alexander Gerst gehört. Es kam mir ab und zu schon so vor, als gäbe es keinen anderen Deutschen mehr, der irgendetwas sinnvolles zustande bekommt (selbst unsere Profi-Fußballer sind kläglich gescheitert und wurden nach grandiosem WM-Sieg nun als wahre Verlierer abgestempelt). Aber der Astro-Alex, der hatte was. Der hat auf der ISS gelebt, Eperimente gemacht und seinen Twitter-Account gepflegt.

Daher fiel mir meine Lektüre von „Die Terranauten“ von T.C. Boyle wieder ein, die ich 2018 beendete. Das Buch wollte ich lange Zeit lesen, habe es aber zum ET 2017 nicht geschafft. Dennoch ist das Thema für mich so aktuell, dass ich gerne davon berichte.

Es beginnt mit dem finalen Auswahlgespräch der Wissenschaftlerin Dawn Chapman, die mit ihrer Konkurrentin und Freundin Linda auf ihren Termin wartet. Für beide ist klar – eine von ihnen wird bei der Mission, die ihr Leben verändern soll, nicht dabei sein. Eine ist raus. Es wird über die weiteren KandidatInnen nachgesinnt. Zu jedem gibt es etwas auszusetzen. Über jeden gibt es pikante Details.

„Stevie ist so gut wie drin, oder?“ (…) ‚Zum einen, weil sie Meeresbiologie studiert hatte, zum anderen, weil sie im Bikini einfach großartig aussah.‘

Schon zu Beginn erfährt man einiges über die Leitung des ganzen Projekts, das schon das zweite seiner Art ist – Ecosphere 2. Die erste Mission scheiterte, was den Druck auf die zweite natürlich erhöht. GV, Judy & Co. stellen Dawn in ihrem Gespräch unangenehme Fragen, die Chefs auch eigentlich nichts angehen sollte: „Hast du einen Freund?“, „Du benutzt Verhütungsmittel, oder?“
Wie bitte? Aber das, was wirklich verwundert, ist, dass Dawn sich die passenden Antworten überlegt und nicht nicht antwortet. Sie tut alles, um das richtige zu sagen, um dabei zu sein.

Das wird auch bei den Innenansichten der anderen Teilnehmer klar. Alle wollen unbedingt bei der Mission dabei sein. Linda schafft es nicht. Sie muss draußen bleiben und arbeitet im Verlauf weiterhin für GV, um sich die Chance auf den Platz in der nächsten Mission nicht zu verbauen. Das Ziel verfolgt sie so ambitioniert, dass sie sogar ein Spitzel für die Leitung wird und ihre „Freundin“ Dawn und die anderen beobachtet und ausfragt.

Der satirische Roman erzählt aus Sicht dreier Personen: Dawn Chapman (für mich noch die sympatischste Person und die Nutztierwärterin der Mission), Linda Ryu (die etwas moppelige Asiatin, die sicher ist, aufgrund ihres Gewichts und ihrer Ethnie nicht an der Mission teilzunehmen) und Ramsay Roothoorp (der eigentlich nur als PR-Manager für gute Publicity sorgen soll). Ich kann nicht sagen, welche Sicht ich am amüsantesten finde. Sie waren alle genial.

Chronologisch berichtet Boyle von „Vor dem Einschluss“, „Einschluss Jahr eins und zwei“ und „Nach dem Einschluss“. Der Gossip macht süchtig, wer macht wann Fehler, wer hat schon mal mit wem, wer bandelt irgendwann mit wem an – immerhin sind vier Männer und vier Frauen eingeschlossen. Neben wissenschaftlichen Details über die Atmosphäre, den Pflanzenanbau und der Tierzucht spielen also die menschlichen Beziehungen beim Verlauf der Mission eine entscheidende Rolle. Wenn es zu wenig zu berichten gibt, studiert die Crew schon mal Theaterstücke ein. Nur keinen Leerlauf bei der Presse erzeugen.

Gleichzeitig ist man drinnen und draußen. Und wartet auf eine mögliche Katastrophe. Bleibt die Luft aus? Gehen die Pflanzen ein? Reichen die Rationen irgendwann nicht mehr? Wird jemand krank oder…? Muss die Schleuse geöffnet werden, was das unmittelbare Scheitern der Mission zur Folge hätte?

Natürlich ist klar, dass Boyle hier überspitzt, aber das auf so raffinierte Art, dass ich mich unheimlich unterhalten gefühlt habe. Dabei mag ich Lästereien gar nicht, weil sie so anstrengend sind. Aber die Figuren sind so glaubhaft und echt – manches davon hat Astro-Alex vielleicht auch erlebt? 🙂

Was ich aber auch spannend finde: Man zieht es in Betracht, dass eine solche Mission stattfinden könnte, und das nicht in einer Wüste auf der Erde, sondern bspw. auf dem Mars. Wo die Schleuse nicht einfach geöffnet werden kann. Daher fasziniert mich das Thema, nicht zuletzt weil mir Blockbuster wie „Der Marsianer“ und „Interstellar“, wovon letzter es sogar zu einem meiner Lieblingsfilme geschafft hat, in den letzten Jahren sehr gefallen haben.
Auf jeden Fall eine Leseempfehlung. Und ich suche mir schon mal das nächste Boyle-Buch aus.

Die Terranauten
Buchcover dtv „Die Terranauten“

T. C. Boyle – Die Terranauten (Taschenbuch)
Verlag: dtv
Erscheinung: 20. Juli 2018
ISBN: 978-3-423-14646-3
Preis: € 13,90
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Eine Antwort auf „T.C. Boyle – Die Terranauten (Rezension)

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  1. Und wieder eine Übersetzung eines ausländischen Autors womit der dtv Verlag seine Geschäftchen macht. Dabei hört sich das englische Original The Terranauts viel besser an, und ist auch besser geschrieben, schon allein weil Englisch die Sprache der Wissenschaft (geworden) ist. Die Rezension ist gut, aber zu dünn. Auf Wikipedia steht ja mehr. Da müssen sich die Buchblogger schon drauf einlassen. Rezensionen sollten mehr hergeben als Online Duden.
    Thorsten J. Pattberg, Autor der Lehre vom Unterschied

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